Rückkehr nach Schlesien

 

 

 

S c h m e r z

 

So ist es doch gut, daß die Verzweiflung dieses Landes zu mir emporsteigt und zu mir spricht, daß das Sterben der Schlesier mich nun anrührt und mich durchdringt wie ein Hilferuf, das Sterben in dieser mitleidlosen, in dieser höhnischen Gestalt.

 

Ich komme nun  nicht nur als Neugierige nach Schlesien, als jemand, der es den jetzigen Deutschen einmal zeigen will. Ich komme als eine Deutsche, die dieses leere, vom Grauen erstarrte Schlesien  in sich trägt.

 

Wenn Völker  Wesen sind und  eine Seele haben, dann gibt es auch eine Seele der Deutschen, die alle Deutschen, ob sie es wollen  oder nicht, umschließt, dann hat diese Seele   in jedem einzelnen Deutschen  eine Wohnung, dann ist Schlesien wie eine nicht heilende Wunde in jedem Deutschen verborgen. Wunden aber bereiten Schmerzen, tiefe Schmerzen, auch, wenn man meint, sie unfühlbar machen zu können, indem man sie nicht berührt. Wunden und Schmerzen warten auf ihre Stunde, warten darauf, daß   sie empfunden werden und ertragen, so lange ertragen, bis sich ein Weg zur Heilung zeigt.

                                        

Kann i c h den Schmerz um Schlesien ertragen? Den Schmerz um ein  wie für immer verwüstetes Land? Um m e i n  Land, in welchem  nicht nur meine Görlitzer Ururgroßeltern lebten, sondern noch  viele,  viele andere, die zu mir gehören?

 

Die Mittagshitze verdichtet sich zu einem  Flimmern. Leer und stumm liegt Schlesien vor mir, ausgebreitet bis hin zum fernen, Himmel und Erde miteinander verbindenden Sommerdunst.

Ein polnischer Schaffner kommt ins Abteil, verkauft mir mit vielen Gesten und  weich zischenden Unverständlichkeiten eine Fahrkarte. Dann geht er wieder, ein  konturenloser Mensch mit Fadenhaaren, mit  zu großen Ohren und mit einem Schimmer von Freundlichkeit in seinen braunen Augen.

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