Rückkehr nach Schlesien

 

 

 

S c h l e s i e n  u n d  d i e  D e u t s c h e n

 

"Was fällt Ihnen ein beim Stichwort "Schlesien" ?"

Bevor ich nach Schlesien aufbrach, habe ich erst einmal meine Mitdeutschen nach ihren Vorstellungen von "Schlesien" gefragt. Diese Mitdeutschen malten mir von Schlesien folgendes Bild:

 

"Schlesien ist meine Heimat," sagte ein grauhaariger  Vertriebener, der einstmals in Niederschlesien einen Bauernhof besaß.

"Aber die Heimat ist zerstört, mir fortgenommen. Es gibt  niemanden auf der Welt, der stark und mutig genug wäre, mir meine Heimat zurückzugeben."

Der resignierte Schlesier hat es in Westdeutschland  nicht zu einem neuen Bauernhof gebracht. Aber er besitzt  hier ein geräumiges Haus mit einem gepflegten Garten.

"Für meine Kinder ist Schlesien kein Thema mehr. Leider."

 

"Schlesien. Ach Schlesien. Flucht im Viehwagen bei 20° Kälte. Als Kind habe ich das alles mitgemacht. Nicht mehr daran denken. Aus. Vorbei.

Waren ja selbst schuld, die Deutschen in ihrem Größenwahn.....".

Der Befragte stammt aus Oberschlesien. Er bekleidet nun ein gut bezahltes Amt in der Verwaltung des Landes Niedersachsen.

Seine Stellungnahme schloß er so:

"Nur in einem Falle könnte Schlesien für mich wieder interessant werden: Wenn all der verlorene Besitz  doch noch einmal zurückgegeben würde. Wir hatten  in Gleiwitz mehrere Häuser."

 

"Schlesien? Gehen Sie mir weg mit diesem Schlesien. Es wird höchste Zeit, daß die Berufsvertriebenen aussterben. Dann erst haben wir  hier endlich Frieden."

Das ist die Aussage eines  westdeutschen Nachkriegsjournalisten im Ruhestand, der seines fortgeschrittenen Lebensalters wegen diesen herbeigewünschten Frieden  jedoch nicht mehr erleben dürfte.

 

"Schlesien? Das sind Gedichte von Eichendorff. Das ist heimeliges, verwunschenes Leben. Das ist Wald, Himmel. Das sind runde Bergeskuppen. Ich sehe die Weite der Oder vor mir, die Züge der Sudeten. Ich habe mich viel mit Schlesien beschäftigt, mit unserem für immer verlorenen Schlesien."

So sagte ein Germanist aus dem Rheinland, einstiger  DDR- Flüchtling, in dessen Sprachmelodie noch immer Spuren seiner mitteldeutschen Herkunft auszumachen sind.

 

"Schlesien? Was mir da einfällt? Da fällt mir gar nichts ein. Oder doch: Auschwitz.

Außerdem interessiere ich mich nicht für Schlesien. Ich interessiere mich für Afrika und für die Südsee, der Fische wegen."

Das war ein umtriebiger  Zierfischhändler, dessen Lebensmuster gelegt wurde in den Schwarzmarkttümpeln der Nachkriegszeit .

 

Eine Münchner Ärztin reagierte auf das Stichwort "Schlesien" so:

"Alte Heimat. Schade, daß es sie nicht mehr gibt. Schade, daß die freundlichen alten Schlesier mit ihrem  Mutterwitz nun aussterben."

 

"Daß du an Schlesien denkst, stört mich. Dieses Schlesien liegt zwischen uns  wie etwas Unheimliches, Drohendes.  Ich spüre, wie mir der Haß  aus diesem Lande entgegenkommt, der Haß und die Gewalt."

"Meinst du den Haß und die Gewalt der Polen?"

"Nein, ich meine den Haß und die Gewalt der ewig gestrigen Deutschen."

Das sagte mir ein Freund aus dem Schwarzwald, Musiker, Cellist von erlesenem Können.

 

"Schlesien gibt es heute nicht mehr. Es ist ein Teil von Polen. Wer heute noch Schlesien sagt, meint Krieg. Bitte, es tut mir weh, darüber zu sprechen."

So ein  evangelischer Pastor aus Schwaben, welcher bei der Unterbringung und  der sozialen Eingliederung von Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorragende Arbeit leistet.

 

"Schlesien? Da fallen mir Gurken ein. Außerordentlich lecker."

Ein norddeutscher Student für Maschinenbau.

 

"Meine Freundin kommt aus Schlesien. Ist froh, daß sie nicht mehr dort ist. Ist schöner hier!"

Ein junger Geschäftsmann aus der Pfalz.

Weiter sagte er:

"Und außerdem, der Hitler hat ja schuld. Hätte er in Rußland nicht so menschenverachtend........"

"Aber was hat das mit Schlesien zu tun?"

"Was das mit Schlesien zu tun hat? Ach, ich mag nicht darüber reden."

 

Ein 18-jähriger Gymnasiast, als er zum ersten Male einen Bildband von Schlesien anschaute, bemerkte verblüfft:

"Da stehen ja deutsche Namen an den Geschäften. Das war ja mal deutsch!"

 

Ca.14- jährige Jugendliche sahen es so:

"Schlesien? Das ist doch Polen." Nach einigem Besinnen:

"Aber es war mal Deutschland." Schließlich: "Mein Opa kommt daher". --" Meine Oma auch."

"Wir haben noch Bilder zuhause von Schlesien."

 

Das ist das Bild der Deutschen von  Schlesien:

Schlesien ist ein verlorenes Land.

Warum?

Weil wir den Krieg verloren haben.

Schlesien ist ein verbotenes Land.

Weshalb?

Wegen der "Deutschen Schuld".

Schlesien müssen wir abschreiben.

Wieso?

Es wohnen nun andere dort.

 

Merkwürdig, daß ich trotz dieser allseitigen Abkehr der Deutschen von ihrem Schlesien  Lust habe, dorthin zu fahren. Oder ist mir gerade deswegen die Lust dazu gekommen?

 

Verlorener Krieg!

Ich lese immer wieder von Völkern, die auch nach verlorenen Kriegen den Mut aufbrachten, das, was man ihnen weggenommen hatte, zurückzufordern. Und ich lese sogar von Völkern, welche ihren Mut mit Beharrlichkeit verbanden und das Verlangte schließlich wieder zurückgewinnen konnten.

 

"Deutsche Schuld"!

Seit Kriegsende wird behauptet, das Weltböse habe von nun an seinen Sitz  im Volke der Deutschen und jeder einzelne Deutsche sei zwangsläufig davon durchtränkt.

Was für ein gelungener Trick der Sieger dieses Krieges, die geschundenen Ostdeutschen so zu verstören, daß sie an das, was ihnen angetan wurde, nicht mehr zu rühren wagen, ja, daß sie all das Schreckliche, was sie erlebt haben, gar noch für rechtmäßig und verdient halten und keine Kraft mehr aufbringen, Genugtuung zu fordern.

Was für eine großartige Ausrede der heimatverbliebenen Deutschen, sich beispielsweise Schlesiens wegen keine Unbequemlichkeiten mehr zu  verursachen.

 

Andere wohnen nun dort!

Aber es sind andere, die einfach hineingedrückt worden sind in ein ihnen fremdes Land. Können denn diese in Schlesien wirklich zuhause sein?

 

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