Rückkehr nach Schlesien

 

G r e n z s t a d t  G ö r l i t z

 

Görlitz liegt an der Neiße. Hier ist einer meiner Ururgroßväter einmal Bürgermeister gewesen und hat im Laufe seiner Amtsführung eine Halle zum Ruhme großer Deutscher bauen lassen.

 

Nun ist Görlitz eine geteilte Stadt, d.h., Görlitz ist wie alle anderen Städte an den derzeitigen deutsch - polnischen Grenzflüssen auseinandergerissen in einen deutschen und einen polnischen Teil. Der von Bomben unzerstörte Stadtkern von Görlitz liegt am westlichen Neißeufer, ist also deutsch geblieben. Das polnische Görlitz, nun behaftet mit einem  für unsere Zungen unaussprechlichen Namen, besteht unter Einschluß  der zum polnischen "Kulturpalast" umgewandelten ururgroßväterlichen Ehrenhalle nur aus Vorstädten und Schrebergärtenkolonien.

 

 

Diese Ruhmeshalle zum Ruhme des Vaterlandes  hat einst mein Urgroßvater, der Bürgermeister von Görlitz, gebaut.

 

Auch der  Görlitzer Bahnhof ist deutsch. Für Paß - und Zollkontrolle aber ist den Polen  die dem Zuge zugewandte Längshälfte eines Bahnsteiges überlassen worden und durch hohe Metallgitter von der deutschen Bahnsteighälfte getrennt.

 

Unser Zug hält lange. Je nach Alter, Herkunft und Gemütsbeschaffenheit drücken sich die Schlesienreisenden entweder ergeben in ihre Sitze oder lehnen sich begierig aus den Zugfenstern hinaus.

 

Zu beiden Seiten des  Gitters, an ihren Uniformen kaum zu unterscheiden, stehen sich  in dichten Trauben Grenz - und Bahnbeamte beiderlei Nationalität   gegenüber. Ohne sich durch ihre Verschiedensprachigkeit irritieren zu lassen, gestikulieren und debattieren sie  durch die metallene Trennung hindurch  feindselig aufeinander ein. Es geht in diesem Falle um den Verbleib eines nicht uniformierten polnischen Staatsbürgers, welcher offenbar auf widergesetzliche Weise versucht hat, vom Polnischen ins Deutsche hinüberzuwechseln. Gewaltsam von der gemischtnationalen Beamtenschaft in seinen ursprünglichen Hoheitsbereich zurückbefördert, steht dieser nun in Abwartung des Kommenden an den Metallzaun gelehnt, ein Bild geduckter, von den ihn umgebenden Verhältnissen unbeeindruckter Entschlossenheit.

 

Schließlich sind die Grenzformalitäten erledigt. Der Zug  fährt an. Gemächlich schwankend rollt er ins Polnische hinein.  Als letztes Zeugnis deutscher Souveränität grüßt von einem Betonpfeiler  ein verschlissener Aufkleber: "Unsere Heimat Schlesien. Einladung zum diesjährigen Schlesiertreffen in Nürnberg."

 

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