Elfriede Pfoegel aus Valenzinnen, Kreis Johannisburg:

„Kilometerweise lagen die Trecks dort mit ermordeten Frauen und
Kindern sowie alten Leuten in den Straßengräben.

 

Ermordete ostpreußischen Bauern

 

Unser Treck mußte sich am 21.  Januar 1945 um 7 Uhr morgens in Ruhden sammeln.  Mein Vater hatte uns, Leni und mich, mit den Kindern ins Dorf gebracht, dort sind wir mit Familie Koszianka nach Ruhden gefahren.  Meine Eltern sollten nachkommen.

Als wir in Ruhden waren, kam gleich der Befehl: sofort abfahren, über Vallenzinnen.  Wir konnten nicht mehr auf meine Eltern warten, weil immer mehr Trecks aus Gehlenburg kamen, so daß die Straßen überfüllt waren.  So kamen wir bis Rössel, wir lagen mit vielen Flüchtlingen in einem großen Haus.  Plötzlich riefen Stimmen: Russen kommen!

Wir sahen ein paar Reiter kommen, dann kam auch schon ein Russe in Zivil in den Raum, wo wir lagen.  Er fragte: "Alles Deutsche?" Da sagten wir: "Ja!" Dann sagte er, wir brauchten keine Angst zu haben.  Die Russen tun nichts, die Russen verteilen Schokolade.

Als die Reiter näher kamen, mußten wir alle auf unsere Wagen.  Dann hieß es: Deutsche wieder zurück, arbeiten.

Als wir in die Stadt Rhein kamen, wurden die Trecks angehalten.  Dann kamen auf unsere Wagen ein paar Russen, die zogen Schuhe, Uhren sowie Ringe aus und durchsuchten unsere Koffer, die sie einfach zerschnitten.  Vielen Familien wurden die Pferde abgenommen, so daß sie die Wagen stehenlassen mußten und gezwungen waren, zu Fuß zu gehen.

Unterwegs begegneten uns grausame Bilder.  Ausgezogene und vergewaltigte Frauen und Mädchen lagen im Straßengraben.

Jedes Stückchen wurden wir kontrolliert und ausgeplündert.  Als wir nach Nikoleiken kamen, bot sich uns dort ein furchtbares Bild.  Kilometerweise lagen die Trecks dort mit Frauen und Kindern sowie alten Leuten ermordet in den Straßengräben.  Es war furchtbar.  In den Dörfern, wo wir vorbeikamen, war alles still und ausgestorben.

Am 26, Januar 1945 kamen wir dann nach Vallenzinnen zurück.  Erst fanden wir unseren Bürgermeister.  Dann erzählte er uns, daß hier schon Russen waren, die durchsuchten Wohnungen und zogen dann in Richtung Wolka.  Die Häuser von Waraszik und P. Anbau waren abgebrannt.

Bei uns zu Hause war noch alles in Ordnung.  Nur als mein Vater ins Dorf wollte, kamen zwei Polen.  Mein Vater mußte vom Schlitten runter und mußte ohne Pferd und Schlitten nach Hause kommen.

Als wir fünf Tage zu Hause waren, kamen Frauen aus dem Dorf zu uns und versteckten sich, weil die Russen nach Vallenzinnen kamen.  Den anderen Tag kam Frau Koszianka zu uns gelaufen und sagte: "Russen sind im Dorf, die suchen Frauen und Mädchen und plündern." Da sagte mein Vater: "Ihr müßt euch im Wald verstecken." So machten wir uns gleich auf und suchten uns ein Versteck im Tannenwald hinter unserem Feld.  Mein Vater machte uns ein Zeichen, wann wir unser Essen holen konnten.

Als wir am Abend unser Essen holten, erzählten unsere Eltern, daß um 10 Uhr vormittags ein russischer Reiter auf unseren Hof kam und nach jungen Mädchen und Frauen fragte.  Als mein Vater sagte, daß hier keine Frauen sind, hielten sie ihm die Pistole vor die Brust und sagten, wenn sie jemand finden, erschießen sie ihn.

Sie durchsuchten den Boden und alle Ecken, als sie nichts fanden.  Dann kam eine ganze Kolonie mit deutschen Frauen und Mädchen, die kamen nach Arys-Nord ins Lager.  Von dort aus sind zwei Mädchen weggelaufen.  Die erzählten, wie sie dort behandelt wurden.

Jeden Tag wurden sie ein paarmal verhört und geschlagen.  Verschiedene wurden auf Lastautos geladen, wohin wußte keiner.

So haben wir uns die Zeit von Januar 1945 bis Dezember 1945 im Walde versteckt gehalten.

Nur Ruth und ein paar andere Mädchen holten die Russen auf das Gut Flockau zur Arbeit.  Von dort aus wurden sie dann von der russischen Polizei nach (unleserlich) gebracht.  Es waren dort alte Männer,  junge Burschen und alles durcheinander.  Der Hunger war dort groß.  Sie bekamen dort nur Futterrüben in Wasser gekocht.  Eines Tages konnte Ruth mit ein paar Frauen fliehen und kam ganz glücklich nach Hause.

Wir pflanzten uns im Frühjahr Kartoffeln und Gemüse und ernteten auch noch das Getreide.  Sonst wurde das Land nicht bearbeitet, da keine Pferde und Maschinen mehr vorhanden waren.  Als die Zeit zur Kartoffelernte war, und wir die Kartoffeln mit der Hacke rausgekriegt hatten, kamen die Polen und stahlen uns die Kartoffeln.  Wir wußten gar nicht mehr, wo wir das Nötigste verstecken sollten.  Wenn man ein Paar Schuhe auf den Füßen hatte, die noch einigermaßen nach Schuhe aussahen, zogen sie sie einem von den Füßen.

Eines Tages kam ein polnischer Mann zu uns, der konnte deutsch und sagte, wir sollten uns Papiere besorgen und sollten nach dem Westen flüchten, weil es für uns Deutsche nicht gut aussah.

Er brachte uns bis Lyck.  Von Lyck fuhren wir mit dem Transport mit polnischer Bewachung.  In Allenstein hielt der Transport, dann hieß es: "Deutsche Schweine raus!" Als man fragte, wo sie uns hinbringen, antwortete man: "Zum Roten Kreuz."

Die Enttäuschung war groß.  Wir wurden in eine große Garage geführt, wo man die Türen verschloß.  Dann kamen Russen und Polen und durchsuchten unser Gepäck und stahlen, was ihnen gefiel.  Nahmen Frauen und Mädchen, es hieß: "Fünf Minuten arbeiten." Die wurden dann vergewaltigt.

Dann führten sie uns zum Transport.  Dann hieß es: "Deutsche Schweine rein, sonst erschießen wir euch."

Am Heiligen Abend kamen wir auf einen Bahnhof, den Namen konnte man nicht lesen, weil alles polnische Namen standen, dort mußten wir den Bahnhof reinigen.  Dann durften wir wieder weiter.  Kurz vor Stettin-Scheune hielt der Transport auf freier Strecke.  Da stürzten Russen und Polen in den Transport, vergewaltigten Frauen und Mädchen und zogen den Leuten die Schuhe, Mäntel und was man noch so einigermaßen an hatte aus, daß verschiedene Leute nur in Strümpfen standen.

Meinen Vater hatten die Russen mit dem Kolben so geschlagen, daß er bewußtlos auf dem Boden lag.  Dann stieß ihn ein Russe mit dem Fuß aus dem Zug.  Meine Mutter sprang gleich raus, und wir zogen ihn rein.  Der Transport wollte auch gleich abfahren.  So kamen wir dann hinter die Oder. (Ostdok. 2/19/12-13.)

Wilfried Ahrens, Verbrechen an Deutschen, Arget 1984², S. 66-68

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