Rückkehr nach Schlesien

 

D e u t s c h e  i n  O b e r s c h l e s i e n

 

Erika

 

Bei meinem vielen Herumfragen in Kreuzburg habe ich Erika kennengelernt, eine kleine, blonde, nicht mehr junge, aber Festigkeit vermittelnde Deutsche aus dem oberschlesischen Dorf Jagnitz.

Ohne Groll über Erlittenes, mit einem Strahlen in ihren blauen Augen erzählt mir Erika, wie herrlich, wie wunderschön es  sei, nach so vielen Jahren der Unterdrückung in Schlesien nun wieder deutsch sprechen zu dürfen.

 

"Alle unsere oberschlesischen Dörfer sind ja deutsch geblieben," sagt sie mir. "Wenn Sie wollen, dann besuchen Sie uns in Jagnitz. Sie dürfen nicht aus Schlesien fortreisen, ohne uns Deutsche in Oberschlesien kennengelernt zu haben".

So verbringe ich als Abschluß meiner Schlesienreise noch eine  Woche in Jagnitz in OS, Oberschlesien.   

 

Jagnitz

 

Jagnitz ist eines der vielen oberschlesischen Dörfer, aus denen die Deutschen nicht  vertrieben wurden, weil die Polen glaubten, sie als Arbeiter in der Landwirtschaft und in den oberschlesischen Bergwerken nicht entbehren zu können.

 

In weiten Abständen liegen die einfachen, niedrigen Häuser des Dorfes an langen Straßen, welche aus dem Dorfe hinausführen und in  die Ferne weisen. Direkt unter dem Dachfirst hat jedes Haus anstelle eines Fensters eine torbogenartige Vertiefung, in welcher ein  Kreuz steht, manchmal auch eine altersgedunkelte, einstmals bunt bemalte Madonna.

 

Immer wieder finden sich kleine, steinerne Kapellen oder auch Heiligenstatuen, Bildstöcke genannt, am Straßenrand. Zuweilen ist es, oft überlebensgroß,  der Gekreuzigte selbst. Das dörfliche Oberschlesien ist auch unter den Preußen   katholisch geblieben, katholisch wie das Nachbarvolk, die  Polen.

 

Die Häuser sind alle umgeben von Gärten, welche überquellen von den vielerlei Früchten des Sommers.

 

Zwar ist die Zeit auch in Jagnitz oft nicht daran gehindert worden, ihr zerrüttendes Werk zu vollbringen. Manche der Häuser stehen sogar leer, weil sie ihren Zweck, die Bewohner vor Nässe und Kälte zu schützen, nicht mehr erfüllen können. Eine für hiesige Verhältnisse erstaunliche Anzahl von Heimstätten aber ist angetan mit strahlend frischem Weiß, hat neue Türen und neben den Fenstern Blätter- und Blumenranken, welche auf ihren hellen Untergrund schwankende Schatten malen.

 

Vielstöckige ziegelrote Bauten,  so, wie sie in Schlesiens Städten stehen, gibt es in Jagnitz nur zwei: das Pfarrhaus und die Schule.

 

Die weitläufig nach allen Seiten hin auseinander strebenden Häuser des  Dorfes  stellen sich dem Betrachter aber dennoch als ein zusammengehörendes Ganzes dar. Zum einen: Stattlich, sicher wie eine Festung,  hellgelb verputzt und mit einem das ganze Dorf weithin  überragenden kupfergrünem Zwiebelturm steht auf einem großen freien Platz die Kirche. Von fern, von nah, wo immer man sich in und um Jagnitz befindet: Was sich am Horizont abzeichnet,  was man sieht, was man spürt, das ist die Kirche, die ins Süddeutsche weisende, hell triumphierende Kirche im katholischen Oberschlesien.

 

Zum anderen: All die  langen, irgendwohin führenden Straßen sind wie durch ein über sie geworfenes Netz miteinander verbunden.  Auf allen Gehwegen, sich meist mit ihren Kronen berührend, stehen die Linden und immer wieder die Linden, so, wie ich sie schon auf den Oderwiesen gesehen habe. Wie schützend senken  auch hier die Bäume Schlesiens ihre  dicht belaubten Zweige über die Kommenden und durchtränken die heiße Schwüle des Tages mit   dem süßen Duft ihrer Blüten.  Man braucht nur den Arm auszustrecken, um solch eine herabhängende Lindenblütendolde in der Hand zu halten.

 

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