Rückkehr nach Schlesien

 

Rathaus

 

 

 

 

 

Das Rathaus von Breslau, Bild aus www.der-deutsche-osten.de

 

 

 

Das  Breslauer Rathaus  soll das schönste spätmittelalterliche Rathaus Europas sein. Es hat ebenfalls den Krieg und die Belagerung der Stadt auf wunderbare Weise überstanden.

 

Es ist auch für mein im verbliebenen Deutschland an viel Schönes gewöhntes Auge überaus stattlich, kunstreich und schön. Die Bürger von Breslau haben ihren Reichtum und ihren Formsinn in schweren, wie für die Ewigkeit errichteten Mauern ausgedrückt, in aufwärts strebenden  Verzierungen, in steingrauen Statuen, in Giebeln, Erkern und Türmen und schließlich in einer prächtigen, Stunden, Tage und Jahre messenden Uhr, alles derzeit jedoch  vorgestellt als grandiose Beispiele polnischen Gestaltungsvermögens.

 

Auch im Inneren des Rathauses ist alles so geblieben, wie es einst war: breite Marmortreppen, mit geschnitztem Holz verkleidete Stuben, weite Säle unter hohen,  steinernen Bögen.

In einem der Säle hängt das Bild eines ratsherrlichen Festessens.

Auf hufeisenförmig zusammengestellten Tischen ist die Mahlzeit aufgebaut: Schüsseln mit Geflügelteilen und mit Fisch, Schalen mit Beilagen und mit Süßem, Türme von Trauben und anderem Obst des Landes und viele, viele blitzende Krüge. Vor jedem Platz stehen mehrere Teller und ein schimmerndes Glas.

 

Noch hat das Essen nicht begonnen. Die geladenen Breslauer Ratsherren, schwarzgekleidet alle mit umgelegtem weißen Spitzenkragen, wenden sich dem Betrachter zu: Sie haben breite, freundliche Gesichter, zeigen sich zufrieden, ein wenig verlegen und auch ein ganz klein wenig verschmitzt.

Diese wahrscheinlich  in den Stadtprospekten Breslau - Wroclaws als urpolnische Bürger beschriebenen  Breslauer Ratsherren erwidern fröhlich meine Blicke und antworten mir in ihrer gemütlichen schlesischen Mundart, welche mich, obwohl ich sie kaum je gehört habe, so vertraut  berührt.

 

Habe ich es nicht gesagt? Das, was war, i s t . Und das, was war, hat überhaupt nichts zu tun mit dem, was sich heute eine bösartige und durcheinandergeratene Gegenwart darüber in die Tasche lügen mag.

 

Das ist Breslau - Wroclaw, das  Zentrum des neuen Schlesiens.

 

Notgedrungen hat  man es hier lernen müssen, mit Begriffen zu leben, für die es keine Anschauung gibt, welche man daher auch nicht denken kann. Schlichte Gemüter nennen so etwas: Lüge. In der Sprache von  differenzierteren Köpfen heißt das: Absurdität. So bleibt den jetzigen Einwohnern von Schlesiens Hauptstadt, den einfältigen wie den mehrfältigen, nichts weiter übrig, als das Denken  einzustellen, sich  allein um die Forderungen des Tages zu kümmern und  vor dem, was ist, vor dem, was war und auch vor  dem, was kommen mag, einfach die Augen zu verschließen.

 

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